Die Ursachen des Erdmagnetismus


 

Blacketts Vorschlag

Es ist eine mysteriöse Tatsache, daß die magnetische Achse der Erde so eng mit ihrer Rotationsachse zusammenfällt -- daß die magnetischen Pole, an denen die magnetische Kraft senkrecht nach unten zeigt, so nahe bei den geographischen Polen liegen. William Gilbert sah darin einen Beweis, daß Rotation und Magnetismus die gleiche Ursache besitzen.
    "Die tägliche Bewegung hat Ursachen, die nun gesucht werden müssen, sie erwachsen aus der Wirkung des Magnetismus und der benachbarten (Himmels-)körper."
Gilbert glaubte, die Erde rotiere, weil sie magnetisch sei. P.M. Blackett, der 1948 den Nobelpreis für seine Arbeiten über kosmische Strahlung erhielt, erwog allen Ernstes genau die entgegengesetzte Möglichkeit -- die Erde ist magnetisch, weil sie um eine Achse rotiert. Blackett schlug sogar vor, daß möglicherweise ein neues universelles Phänomen existieren könnte, daß nämlich jedes rotierende Objekt einen ihm innewohnenden Magnetismus besitzt.

Dies ist zunächst eine in keiner Weise absurde Idee. Elektronen und Protonen zum Beispiel haben einen intrinsischen "Spin" (Eigendrehimpuls), der ihnen Eigenschaften eines festen rotierenden Körpers verleiht, und sie besitzen ein untrennbar damit verknüpftes magnetisches Moment, das sie zu winzigen Magneten macht. In gewöhnlichen Materialien zeigen die Spinachsen dieser atomaren Magnete in alle möglichen Richtungen, so daß sich ihre Wirkungen auslöschen. 

Doch in bezug auf die Erde war die Vermutung Blacketts falsch. Experimente mit rotierenden Objekten, die nach seiner Theorie eine meßbare Magnetisierung besitzen sollten, hatten keine. Auch zeigten spätere Beobachtungen, daß sich während der letzten zig Millionen Jahre die magnetische Polarität der Erde viele Male umgekehrt hatte - etwas das Blacketts Theorie niemals erlauben würde. 

Der Erdkern

Der Erdkern

Aus der Art und Weise wie sich Erdbebenwellen ausbreiten, kann man ableiten, daß die Erde in ihrem Zentrum einen dichten flüssigen Kern besitzt, in dessen Inneren sich wiederum ein etwa halb so großer, fester, innerer Kern befindet. Man nimmt heute übereinstimmend an, daß der flüssige Kern aus geschmolzenem Eisen besteht, vielleicht mit Beimengungen von Nickel und Schwefel. Die Dichte des Kerns deutet darauf hin und außerdem besitzt Eisen nicht nur den stabilsten Atomkern, sondern scheint von allen Elementen auch noch das häufigste im gesamten Universum zu sein. Es sammelt sich im Erdkern an, weil es schwer ist -- genauso, wie es auf den Boden eines Hochofens absinkt, wenn es aus einem Erz herausgeschmolzen wird. 

Energie ist die Währung, mit der die meisten Prozesse in der Natur bezahlt werden müssen. Der Erdmagnetismus bildet dabei keine Ausnahme, und seine Energie scheint aus der Bewegung der Flüssigkeit im Erdkern zu stammen, aus zirkulierenden Strömungen, die wiederum entstehen, um den Wärmetransport aus dem Erdkern heraus aufrecht zu erhalten. In ganz ähnlicher Weise wird unser Wetter von zirkulierenden Luftströmungen angetrieben, welche die Wärme abtransportieren, die durch die Absorption des Sonnenlichtes an der Erdoberfläche entsteht. 

Wissenschaftler sind sich noch immer nicht völlig im Klaren darüber, woher die Wärme im Erdkern stammt. Es könnte Schmelzwärme sein, die frei wird, wenn Eisen aus dem äußeren Kern auskristallisiert und den festen inneren Kern vergrößert. Eine andere Quelle könnte die Radioaktivität sein, die Hauptwärmequelle in der Erdkruste. Die Strömungen jedenfalls sind sehr langsam und benötigen nur einen Bruchteil der im Erdkern enthaltenen Gesamtenergie. 

Man nimmt also an, daß das geschmolzene Metall zirkuliert. Durch die Bewegung in einem bestehenden magnetischen Feld wird ein System von elektrischen Strömen ausgebildet, das sich im Kern verhält wie der oben geschilderte Scheibendynamo von Faraday. Die Ströme rufen ein magnetisches Feld hervor -- eine Verteilung von Kräften. Die Schlüsselidee für das Problems eines selbst erregenden bzw. sich selbst erhaltenden Dynamos ist es, Lösungen zu suchen, in denen das resultierende magnetische Feld auch als Startfeld dienen kann, um den Strom am Anfang zu erzeugen. 

Genaugenommen ist dies nur die unterste Stufe des Problems, denn man ist hier noch sehr frei in der Vorgabe der Bewegungen. Um das Gesamtproblem zu lösen,  benötigen wir zusätzlich Informationen über die Wärmequellen. Diese Quellen müssen nämlich stark genug sein, um Bewegungen zu treiben, die das Dynamoproblem lösen. 

Probleme dieser Art sind nicht einfach.  Sie erfordern komplizierte Mathematik und sind noch nicht vollständig gelöst. Nur die gröbsten Ideen für ihre Lösungen können hier skizziert werden. 

Der Magnetismus der Sonne

Eine wichtige Einschränkung, aus der das Versagen von Blacketts Theorie resultiert, ist folgende: Kein elektrisches Stromsystem, das wie ein fester Körper rotiert, kann "Dynamoströme" hervorrufen. Selbst wenn Teile des Stromsystems der Rotationsachse folgen und daher als ruhend betrachtet werden können, wird die feste Rotation keine Ströme generieren. Ein entscheidender Punkt des Faradayschen Scheibendynamos ist, daß ein Teil des Stromkreises außerhalb des Scheibendynamos nicht an der Rotation teilnimmt. 

Die Rotation der Sonne um ihre Achse führt daher nicht zwangsläufig zu einem magnetischen Feld. Entscheidend ist die Tatsache, daß die Sonne eben nicht wie ein fester Ball rotiert. Ihr Äquator besitzt eine kürzere Umlaufzeit als die höheren Breiten - etwa 25 Tage für den Äquator und 27 Tage für eine Breite von 40 Grad (weil die Erde sich in der Zwischenzeit etwas um die Sonne bewegt erscheinen uns die Perioden wie 27 und 29 Tage). Wenn die Erde auf so eine Weise rotieren würde, dann risse sich z.B. Florida sehr bald vom Rest der USA los und würde in den Atlantik treiben. Eine derartige ungleiche, die Oberfläche deformierende Bewegung kann einen Dynamo antreiben, und im Falle der Sonne vermutet man in der Tat gerade darin die Ursache der Sonnenfleckenaktivität. 

Dynamotheorie

Bevor Mathematiker ein kompliziertes Problem angehen, versuchen sie stets Vereinfachungen zu finden (ein Witz über den Vorschlag eines Mathematikers zur Produktion von Milch lautet: "Gegeben sei eine kugelförmige Kuh vom Radius R, gleichmäßig mit Milch gefüllt .... "). Doch gerade hier hat man damit kein Glück. Bereits in einem sehr frühen Stadium des Spiels, 1934, bewies Thomas G. Cowling in England, daß ein selbsterhaltender Dynamo im Erdkern keine Symmetrieachse besitzen kann.

Walter Elsasser von der University of Utah (später John Hopkins Universität) startete in den 40er Jahren eine Frontalattacke zur Lösung des vollständigen dreidimensionalen Dynamoproblems. Er fand keine: die Gleichungen wurden komplizierter und komplizierter, je mehr er ins Detail ging. Andere mußten ähnliche Erfahrungen machen. Erst 1964 veröffentlichte Stanislaw Braginsky in Rußland die ersten gültigen Lösungen, wobei er annahm, das Feld sei fast axialsymmetrisch und berechnete, was aus kleinen Abweichungen von dieser Symmetrie folgte. 

Die Lösung des vollständigen Problems, inklusive des Wärmetransports, ist viel schwieriger. Wir sind nicht nur unsicher über die Wärmequellen, sondern auch über den Einfluß der Erdrotation, dei alle Bewegungen der Wärmekonvektion sehr stark verändert. Diese Modifizierungen sind eine Haupteigenschaft  großräumiger Bewegungen in der Atmosphäre. Sie führen zu den charakteristischen Strudelbewegungen von Hurrikans und Sturmsystemen. Eugene Parker schlug 1955 einen Mechanismus vor, wie solche Strudel in aufsteigenden Strömungen der Sonnenatmosphäre Dynamofelder hervorrufen könnten. 

Von oben gesehen sind Strudelrichtungen von Stürmen in der Atmosphäre nördlich des Äquators immer gegen den Uhrzeigersinn und südlich des Äquators im Uhrzeigersinn gerichtet. Eine derartige Asymmetrie ist auch in den aufsteigenden Strömungen im Erdkern zu erwarten. Steenbeck et al. zeigten 1966 in Deutschland, daß deswegen ungeordnete Konvektionsmuster tatsächlich ein mittleres "Dynamofeld" erzeugen können. Es wurde unter dem Namen "Alpha-Effekt" bekannt, da man eine mathematische Größe verwendete, die mit dem griechischen Buchstaben a (Alpha) bezeichnet wurde -- doch die Einzelheiten sind bei weitem zu schwierig, als daß sie hier beschrieben werden könnten. 


Einige aktuelle Arbeiten zu numerischen Stimulationen des Geodynamos auf  Hochleistungsrechnern sind auf der Webseite von Gary Glatzmeier und Paul Roberts hier zu sehen.

Nächste Station:   Magnetische Polumkehr und Kontinente in Bewegung 

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Autor und Kurator:   Dr. David P. Stern
     E-mail an Dr.Stern:   earthmag("at" symbol)phy6.org

Deutsche Bearbeitung: Sven Friedel, Universität Leipzig
Letzte Änderung 17. September 2001